Mittwoch, 21. September 2016

Anschauung anstelle von Theorie

Der Briefwechsel zwischen Gerhard Marcks und Günter Busch zeigt, dass man bereits 1956 über die Monografie sprach, die 1977 erscheinen sollte. "Dass wir aber gerade auf Sie kamen, lag nicht nur nahe, weil wir ja uns durch das Tierbüchlein näher gerückt sind - mein Hauptgrund war die Art, wie Sie dem maasslosen Treiben der avantgardistischen Schriftsteller nach der Documenta- Schau entgegentraten".
Auf den ersten Blick scheint Marcks hier eine konservative Haltung einzunehmen (wobei er ja selbst auf der Documenta vertreten war). Wahrscheinlich bezieht sich der Bildhauer aber auf einen Text von Busch "Ja - was 'ist' und was 'verrät' denn nun die moderne Kunst" aus der Zeitung "Die Welt" vom 12.11.1955. In diesem Text vergleicht Busch zwei damals diametral entgegengesetzte Positionen: Einerseits die von Hans Sedlmayr (Der Verlust der Mitte) und andererseits Werner Haftmann (Malerei im 20. Jahrhundert).
Busch war gerade kein Anhänger von Sedlmayr sondern wirft beiden Kontrahenten vor, dass sie sich der Kunst aus einer theoretischen Position heraus nähern. Das gipfelt in dem Vorwurf, dass diese Bücher bequeme Anleitungen sind, um "nicht hinzusehen". Die Zeit brauche - so Busch - Anschauung vor besten Originalen und nicht Theorie.